Omnes cives mundi sumus

Die Migrations- und Flüchtlingsproblematik in unserer Zeit stellt für Europa eine der größten Herausforderungen dar: Gerade die am Projekt beteiligten Länder Deutschland, Italien, Österreich  und Griechenland  beschäftigt die Thematik besonders, auch die Niederlande sind betroffen. Die Strategien des Umgangs vor Ort sind oft verschiedene und keine ist als „fertig“ zu betrachten.

Die fundierte Kenntnis von und das Reagieren auf aktuelle gesellschaftliche und politische Probleme erwartet die Gesellschaft von den Lehrkräften. 

Auch die Schüler werden sich – als die Erwachsenen von morgen – früher oder später mit der Frage nach angemessenen und praktikablen Formen des Umgangs und der Problembewältigung auseinandersetzen müssen und Möglichkeiten finden, sich selbst dabei aktiv einzubringen. Daher ist es von großer Wichtigkeit, bereits an den Schulen das Bewusstsein der Lehrpersonen und Jugendlichen für ihre eigene Verpflichtung zu wecken und Möglichkeiten des sozialen Engagements anzudenken und zu erproben.

Dies kann aber nicht ohne Reflexion über die Standpunkte und Werte geschehen, die als Grundlagen der europäischen Gesellschaft gelten und die gerade einen humanen Umgang mit Flüchtlingen und Migranten in unserem Umfeld ermöglichen. Die Gesellschaft sieht genau diese Werte in der gegenwärtigen Situation  aber gelegentlich als bedroht an. Hierbei kann helfen sich bewusst zu machen, dass Migration und Flucht - aus welchen Gründen auch immer – keine neuartigen Phänomene sind. In antiken Texten, die die Schüler im Unterricht der klassischen Sprachen lesen, begegnet ihnen vielmehr schon eine Reihe von – mythologischen wie geschichtlich wirklich existenten -  „Flüchtlingen“ und so können sie verschiedene Überlegungen und Texte zur Frage des adäquaten Umgangs mit dem/den Fremden aus einer zunächst "anderen", durchaus hilfreichen Sicht kennenlernen.

Die Schüler sollen aus einem bestimmten Fundus an Texten diejenigen auswählen, die ihnen für eine Umsetzung am geeignetsten erscheinen.

Mit Hilfe ihrer Lehrer und unter Einbezug externer Partner (Unterstützungsgruppen für Migranten/Flüchtlinge, Journalisten, Politiker, Theater, ALP Dillingen, MPZ München, BIB Bozen) sollen sie gemeinsam Vorschläge für eine gedankliche und  kreative Auseinandersetzung mit dem Thema (Dialoge, Theaterstück, weitere Arten der künstlerischen Umsetzung) entwickeln, wofür sie jeweils das Know–How der Partnerschulen und deren Kontakte nutzen. Die Ergebnisse werden von den international zusammengesetzten Gruppen in Form von Aufführungen und Ausstellungen an den Schulen präsentiert und darüber Spendengelder gewonnen. Diese wiederum sollen für konkrete Projekte zur Unterstützung von jugendlichen Flüchtlingen an den jeweiligen Schulstandorten genutzt werden.

Die Jugendlichen machen ihre Arbeitsaktivitäten via eTwinning und einer gemeinsamen Homepage (www.klassischegymnasien.eu) allen Interessierten zugänglich und entwickeln Materialien, die auch in breiterem Rahmen einsetzbar sind.

Die gemeinsame europäische Arbeit scheint uns hier eminent wichtig zu sein, um unterschiedliche Haltungen und Entscheidungen in den einzelnen europäischen Staaten genauer kennenzulernen und vielleicht auch aufgrund der Auseinandersetzung mit "antiken" Überlegungen in Kombination mit einem Sozialprojekt neue Ansätze  anzudenken.

Da die beteiligten Schulen ihre Stärken in unterschiedlichen Bereichen haben, ist von einer Zusammenarbeit eine sehr inspirierende Wirkung zu erhoffen.

Im Einzelnen lassen sich die Zielsetzungen wie folgt auffächern:

- Auseinandersetzung mit dem hochaktuellen sozialen Thema "Flüchtlingskrise" und

- Diskussion der Frage: "Wie kann Europa damit umgehen?" auf der Basis fundierter Kenntnisse der jeweiligen Problemlage vor Ort

- dabei Entwicklung interkultureller, sozialer und zivilgesellschaftlicher Kompetenzen durch aktive tatsächliche und virtuelle Zusammenarbeit

 

Zusätzliche Überlegungen:

Der Lehrerberuf ist ein in nahezu allen europäischen Ländern von der Gesellschaft stark hinterfragter Beruf. Auf die Schulen kommen immer neue Anforderungen vor allem auch  im Sozialen und im Methodischen zu, was für die Lehrpersonen stete Neu- und Umorientierung bedeutet. Die Voraussetzungen und Erwartungen der SchülerInnen an Ausbildung und Schule wandeln sich. Auch das Reagieren auf aktuelle gesellschaftliche und politische Probleme wird von den Lehrkräften als selbstverständlich erwartet. Wir wollen mit diesem Projekt also verschiedene Ziele erreichen:

a) in Bezug auf das Profil des Lehrerberufs: Reflexion des Profils und der Curricula im Gymnasium; Reflexion der eigenen Arbeit gerade auch hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Relevanz; stärkeres Bewusstmachen dieser Arbeit an einem aktuellen gesellschaftspolitischen Thema (schulintern, aber auch schulextern); Konkretisierung der relativ theorielastigen Arbeit im Gymnasium und Ausloten, inwieweit diese Arbeit auch tatsächlich und sichtbar fruchtbar gemacht werden kann (= Methodenlernen).

b) Das Lehrerprofil kann nicht gestärkt werden, ohne auch die SchülerInnen mit einzubeziehen: Migranten und Flüchtlinge sind das Thema, das Europa und gerade auch die am Projekt beteiligten Länder im Moment ganz stark beschäftigt. Es ist auf jeden Fall wichtig, dass Jugendliche, die Erwachsenen von morgen, lernen, sich fundiert mit dem Thema auseinanderzusetzen und gemeinsam tragfähige Lösungen anzudenken. Es ist wichtig, Schulwissen und Lehrinhalte in Beziehung zu setzen und fruchtbar machen zu können für die Gesellschaft, in der die Jugendlichen leben und die sie demnächst als junge Erwachsene mitgestalten sollen. In der aktiven Auseinandersetzung mit den derzeit unterschiedlichen Strategien und Formen der Problembewältigung in verschiedenen europäischen Ländern und mit unterschiedlichen Partnern vor Ort sollen die Jugendlichen - gerade auch auf der Basis des gemeinsamen europäischen Erbes und in der angestrebten Wertegemeinschaft - einen Weg finden, der Europa nicht trennt, sondern in der Auseinandersetzung zusammenführt und gemeinsame Lösungen ermöglicht. Aber nur wer die Grundlagen Europas kennt, kann Brücken in die Zukunft schlagen.

Deshalb gibt es in unserem Projekt eine stärker theoretisch orientierte Auseinandersetzung (mit Überlegungen antiker Schriftsteller zum Thema, Podiumsdiskussionen mit Journalisten und Politikern zur aktuellen Problemlage) und eine stärker praktisch ausgerichtete Projektphase.

Die am Projekt beteiligten Schulen wirken dabei zusammen, um in der Begegnung und Zusammenarbeit mit gleichaltrigen Flüchtlingen deren konkrete Bedürfnisse kennen zu lernen und sie durch gemeinsame Aktivitäten - auch auf der Basis von unternehmerischen Grundlagen - zu unterstützen. Das ist neben der aktiven Reflexion der Lehrerarbeit das zweite absolut innovative Moment in diesem Projekt: dass Migranten und Flüchtlinge nicht nur finanziell oder materiell unterstützt werden, sondern dass versucht wird, gemeinsam mit ihnen, im Gespräch mit ihnen und in der gemeinsamen Projektarbeit vor Ort Lösungen für die im Moment eher schwierige Situation zu finden. Es ist uns klar, dass dieser Anspruch natürlich nur in einem kleinen Segment, bezogen auf jugendliche Migranten und Flüchtlinge im unmittelbaren Lebensumfeld der fünf Schulen, umsetzbar ist, aber durch den Austausch und die gemeinsame Reflexion auch unterschiedlicher Situationen in Mitgliedsländern der EU, durch das Lernen voneinander  und durch die ganz konkrete Umsetzung hoffen wir doch auch auf Breitenwirkung dieses kleinen Projekts, das sowohl über eTwinning als auch über eine eigene Homepage vermittelt und in einem größeren Umfeld diskutiert werden sollte.